Ein „Monny“ hat immer recht … und der Kunde ist der König …


einige der Botschaften, die wir „Damals-Jungen“ von ihm lernen konnten.

Dies hier ist eine simple Postwurfsendung als emotional-eigener Nachsendeauftrag aufgegeben. Ganz im Blau ghalten, „Reflex Blue“ wie der EXperte zu sagen pflegt. Ganz persönlich zu betrachten und ausschließlich aus meiner subjektiv-melancholisch-altersmilden Sicht geschrieben. Für und über den Monny.

Damals

Damals in den 80igern. Innsbruck, Bozner Platz. Lande-Geld-Tempel. Oder richtigerweise Landes-Hypothekenbank Tirol. Das „Anstalt“ aus dem Firmenwortlaut verschwunden. Sommer. Urlaubszeit. Es war wie immer. Bewußt habe ich darauf gewartet, daß er nicht im Büro sitzt. Die teils fast endlosen, aber oft sinnstiftenden Diskussionen vermeidend habe ich den Urlaubsschein auf seinen Schreibtisch gelegt. Wortlos sozusagen. Wohl wissend, daß dies eine besondere Behandlung nach dem Urlaub nach sich ziehen würde. Es waren oft nur die Kleinigkeiten, die angefallen und zu großen Diskussionen führten. Meist nach Dienstschluß. Er – in seinem Direktionszimmer, ganz vorne, wenn man vom Bozner Platz in die Landesbank hineinging, Doppelglastüren, Postschließfächer – gleich links. Dunkles, eigentlich kleines Büro, Fenster auf die Seite Richtung Bozner Platz. Monitor für den Überblick im Schalterraum. War die Tür zum Büro offen, war er gesprächsbereit. Sein Reich war der Schalter, die „Kassen“, der „Giroschalter“, „Wertpapierbereich“, „Auslandsabteilung im Halbstock“, seine „Untertanen“ die Menschen im Kassen- und Schalterraum.

Sein Volk, die Kund*innen. Seine Prämisse: „Dienstleistung sichtbar machen! Und ganz wichtig: DER KUNDE IST KÖNIG“ – Er ein angesehener Banker, wohl wohlhabend – hinter vorgehaltener Hand sprachen vermutlich waren es Neider davon – „der müßte gar nicht arbeiten gehen, soviel hat der … der ist nur hobbymäßig da …“ wir kriegten den Respekt vor der damaligen Hierarchie löffelweise oder eben gleich live und direkt eingeflösst. Die, die in besser kannten, riefen nach dem „Rudi“, die, die ihn noch besser kannten, nach dem Monny. Für uns war er der Direktor Flunger. Und wenn der „Zeit“ – Illustrator und Künstler Paul Flora kam, – Spezialkunde ging es nach hinten in den Personalbereich, wir sagten dazu „Separee“, Geschäfte machen, – wie Paul Flora gestaltete die Sparbüchse der Hypo und im Personalbereich glaubten wir „Damals-Jungen“ immer dann auch Hochgeistiges zu riechen. Die Toilettenanlagen waren aber auch in dieser Gegend. Andere Stimmung. Anderer „Taste of Life“. Es war eine andere, auch eine schöne Zeit. Irgendwie ein bißchen zeitloser.

Junge Widerständler.

Die alte Hypo Fußballmannschaft mit den besonderen Akteuren, die man kennen sollte – links stehend – Rudolf Monny Flunger †, Werner Pfeifer, – , Adi Donnemiller †, Erich Benedetti † Johann Oberlechner †, -,– Norbert Steger †, vorne -, Fritz Huemer †, -,-, Josef Bacher …

Wir „Damals-Jungen“ waren ja grundsätzlich auf Widerstand gebürstet. Gegen die Arrivierten, die Alten. Die hierarchische Aufstellung war zur damaligen Zeit aber noch intakt. Und wir wurden klein gehalten. Hochdienen angesagt. Widerspruch und Haltung zu zeigen waren mutig. Revoluzzer mußten sich zusammentun. Heute, für die heutige Jugend, dieses Tun wohl kleingeistig, halbherzig und zu bagatellesieren. Man war per Sie. Solange bis der Ältere das Du angeboten. Vorgesetzte im Sinne des Wortes, manche gepaart mit einer Prise Führungskraft. Flunger war so jemand, ein Trainer, der auch etwas grob und durchaus derb in der Verbaltaktik, seine Mitarbeiter zur Leistung getrieben hat. Gut, die Mädels hatten es naturgemäß leichter und profitierten vom Naturcharme des „Monny´s“.

Gute zehn Jahre habe ich am Schalter gewerkelt. Kassier. Reklamationsschalter. In den Zeiten mit weniger Auslastung, „Einlegearbeiten“, Ablage, Kontoauszüge, die damaligen Kundenkarten (exklusiv mit Kundenfotos) ausdrucken und fertigen … Er hatte immer ein Auge auf uns. Auf die Kassiere. Und sah er etwas, was ihm nicht passte, – drinnen am kleinen Bildschirm, war er schon da und regelte das … fast immer in der entsprechenden Tonlage, aber seiner eigenen Fasson. Das Nicheinhalten der 10 Minuten Vormittagspause, die uns Kassieren zugestanden – und fehlende Abstimmung darüber mit den Kolleg*innen und der gleichzeitge überraschende Kundenandrang an den Kassen konnte schon zu einer verbalen Abwatschung führen. Kompromißlos. Einfach. Direkt.

Obwohl ich nie ein Paradebanker geworden bin, habe ich in dieser Zeit viel gelernt. Zuzuhören. Aufzubegehren. Zuargumentieren, standhaft diskutieren. Haltung zu bewahren, Kompromisse einzugehen, Dienstleistung in seiner gedachten Form zu perfektionieren – und ganz wichtig: Dinge die im ersten Moment, für die anderen, für mich – negativ behaftet waren, ins Gegenteil zu drehen. „Was ist das schöne an dieser Aufgabe?“ Diese Erkenntnisse habe ich dem Abteilungsdirektor Rudolf Flunger zu verdanken. Mehr noch – daß man obwohl man sich immer wieder matcht, mit unterschiedlichen verbalen Waffen kämpft und sich duelliert, insgeheim schätzt und mag. Allein schon, daß er sich mit einem auseinandergesetzt hat, war eine Auszeichnung, noch dazu, wenn man nicht weiblich war. Sein Charme und seine Aura in Richtung des anderen Geschlechts war für uns sichtbar und beidseitig. Die Mädels, jeden Alters mochten ihn einfach. Aber weiter im Text. Wenn man also so nach 16:00 Uhr und Schalterschluß bei seinem Büro vorbeikam, war die Tür offen und er bereit – für Diskussionen zu Fachthemen, zu Allgemeinem, zu Erziehungsmaßnahmen, Privates drehte sich meist um seine beiden Söhne und deren Fortkommen – Diskussionen die er leidenschaftlich-diszipliniert aber stur verfolgend führte, konnte man nur beenden mit dem Schlüsselsatz: „Herr Flunger – sie haben recht!“ ER kopfschüttelnd: „Der Waltl meint das gar nicht so!“

Ich erinnere mich gut daran. An viele solche Momente und Augenblicke. Seine DNA (Detailliert -Näherkommen – Aufdecken) war schwer zu knacken. Er schien auch keinen Zeitdruck zu verspüren. Endlos-zeitlos. Die Bank, so schien es mir, war seine einzige Heimat. Auch wir, – genau – die „Damals-Jungen“ hatten ihn in dieser Zeit immer im Auge und unter Beobachtung.

Die Rechnung.

Wenn ich nach dem Urlaub wieder zurück gekommen bin, gab es die Rechnung für die Mißachtung der Regel „Richtiges Abmelden vom Dienst!“ – „Waltl – eine Woche nach Wörgl“, „Waltl – Inkassotour Seefeld“, „Waltl – runter in die Zahlstelle Burggraben“ … Eben – Waltl … – und alle diese Einsätze haben Spaß gemacht. Und meine Einstellungen zu vermeintlichen „unnötigen“ und ungeliebten Herausforderungen entscheidend verändert.

Stille und  Gemeinschaftssingen

Im Jahreslauf war es immer ziemlich stressig. Die kleinen und großen Launen, die Zwischendurchansagen, wiederholenden Erziehungsreden, Maßregelungen, die hohen Qualitätsansprüche vom Kassendirektor doch auch anstrengend – aber wir waren es gewohnt. Einmal im Jahr allerdings, knapp vor Weihnachten in der Zeit gab es eine Weihnachtsfeier am Schalter. Monny wurde sentimental, familiär und gar sangesfreudig. Alle mußten – dann auch noch gemeinsam das „Stille Nacht, Heilige Nacht“ singen. Nach dem zweiten Mal haben wir, die  damals „Jungen“ eine Gegenveranstaltung an genau diesen Tagen ausgerichtet und den Flungerschen-Weihnachtsabend einfach boykottiert. Er hat das natürlich gewußt. Jahre danach, er schon als Pensionist unterwegs, haben wir ihn zu einer dieser Gegenveranstaltungen, ich glaub ins „Cafe Martin“ eingeladen. Wie hat er sich gefreut. Sichtbar. Er hat es nicht gesagt, aber gezeigt. Als Charmeur par excellance gab es – am Ende – später – damals im „Bellinis“ eine rote Rose von Monny für jede der Damen in der Runde. Berührend.

 

RESPEKT. 

Unser gegenseitige Respekt war vorhanden. Immer. Wir waren, wie es zu der Zeit üblich, auch danach, immer beim „Sie“ geblieben. Als ich ins Marketing gewechselt bin, hat er meinen Chef vorgewarnt. Meine Laufbahn, auch die Sidesteps abseits der Bank hat er  immer verfolgt. Auch die Aktivitäten rund um das „Festival der Träume“.

Kleine Freuden.

Wie hat er sich gefreut, als Pensionist in die neue Hypo am Boznerplatz kommend, niemand kannte ihn, kein „Hallo“ und nix. Da gab es noch einige, wenige Menschen, die ihn gekannt haben. Gefreut über eine kurze Unterhaltung, Austausch von Spitzfindigkeiten und kleinen Bonmots aus der Vergangenheit waren auch da immer mit dabei. Aber wohlwollende Grundstimmung und gegenseitiges Vertrauen. Es ist so: Jeder Mensch freut sich über ein wenig „Schulterklopfen“, Zuneigung, Gegenliebe und Beachtung.

Degen und Florett.

Bei einem Pensionistentreffen, es war im „Weinhaus Happ“, Anlass Wechsel in der Betreuung der Hypo Pensis ist angestanden, da sind wir dann wieder einmal aufeinander getroffen. ER: Pensionist. ICH: Marketingleiter. Beinharte Diskussion aus dem Nichts-heraus. ER: In alter Manier, mit den bekannten Waffen („Florett“ gegen „Degen“ oder so … spitz-findige Instrumente kopfgesteuert und mit dem Mund abgefeuert …) der deutschen Sprachkunst, dem aktuellen Standing und der lebenslangen Erfahrung im Umgang damit verbunden. Was für ein Feuerwerk. Helmut Fröhlich mußte als helfender „Ritter Mediator“ glatt einspringen und begradigen. Dann: Etwas später, Ausklang, – beim gemeinsamen Runtergehen, treppenwärts, dreht sich der vor mir stufensteigende Monny plötzlich um – und schaut mich an, ER: „—es war nicht so gemeint, SIE sind ein guter, – reicht mir seine Hand und sagt „lass uns per DU sein! – Ich bin der Monny …  ICH: Klar war ich gerührt.

Immer. 

Jedes unserer weiteren Begegnungen war immer ein kleines verbales „Battle“  – es ging immer um die Vorherschaft und Hausmacht in der Rhetorik. Natürlich. Er wußte, daß wir auch etwas wissen, die Augen offen gehalten, seine persönliche DNA erforschend, mitbeobachtet und – ja sowieso, daß die Lebensschule mit ihren schicksalhaften Holprigkeiten und dem verrückten Drehbuch, weder vor ihm, noch vor uns halt machen würde.

Hinterher.

In der Reprise und Erinnerung bleibt der Monny für mich eine dieser einzigartigen Persönlichkeiten, die mich in seiner ambivalenten Widersprüchlichkeit, der sturen Unbeugsamkeit, dieser diszipliniert-humorvollen Intelligenz, dem nicht für jeden sofort erkennbaren Sprachwitz und der Aufforderung zum Widerspruch und Widerstand allein durch seinen Auftritt, sein Tun, sein Sagen und seine Wirkung auf andere Menschen, wirkungsvoll mitgeprägt hat. Mehr als viele andere. Herausragend. Vieles wird einem ja erst später klar. Da waren für mich durchaus ganz persönliche Teile und Segmente eines Motivators, eines heimlichen Mentors, die beinharte Strenge eines Trainers, – metaphorisch – tiefgründig versteckte Zuneigung eines „Vaters“ zu seinem „Zieh-Sohn“„ – für mich, der ja ohne richtigen Vater aufgewachsen, war das alles dabei. Auch die Erkenntnis, – ich bin und werde nie ein „richtiger“ Banker sein oder werden, niemals eine Führungskraft, – aber mein Talent im „Begeistern“, „Zusammenführen“ und „Berühren“ wurden mir bewußt. Ich habe keine wirkliche Ahnung, wie der Monny im richtigen Leben, mit den Seinen gewesen ist und war. Wie seine dortige Lebensreise ausgestaltet war. (Interessant die Position der Parten und die letzten Grußworte seiner Lebensmenschen, direkt – in der Tiroler Tageszeitung nicht neben- aber übereinander.)

Er. 

Eine spannende, widersprüchlich, tiefsinnig-eigensinnige Persönlichkeit allemal. Stellvertretend für das Sittenbild der damaligen Zeit. Man sagt es oft leicht und inflationär. Hier stimmt es sicher: Ein besonderer Mensch. Was für ein Glück, ihn kennengelernt zu haben. Ich habe mich bei ihm dafür unzureichend bedankt. Für die Oberflächlichkeiten, das Einfache zwar, niemals für den doppelten und dreifachen Boden, der dahinter gesteckt … War mir ja auch nicht so bewußt.

Mein Mitgefühl allen, die um den Monny trauern. Und viel Kraft. – Ihm mit auf den Weg:

Lieber Monny, ja DU hast  recht, ganz recht! Und sag´ mir nicht,  nein! – das meint der Waltl gar nicht so. Sagt der Waltl nur damit eine Ruhe ist …! – Der Kunde ist König. Ich meine das genau so und wünsche Dir eine gute Reise zum Licht …. lebwohl.“

Autors Nachtrag: 

Nachdem ich es erfahren. Eine Traurigkeit. Der Zwang dies niederzuschreiben, war groß. Ganz groß. Nicht nur wegen meines Versprechens, solange ich schreiben kann, für besondere Menschen aus dem Umfeld meiner „ehemaligen Bank“ (Den Blauen Geldtempel) immer einen kleinen oder größeren schriftlichen Nachsendungvortrag zu verfassen. Sozusagen als hinschreibender „Fährmann“. Hilflos. Anstandslos. Nur ganz persönlich. Sogar der inflationäre Nimubs der KI hat mich diesmal nicht bremsen sondern nur motivieren können. Die Erinnerungen kommen ja aus meinem Kopf, sind jetzt am Papier. Nicht irgendwo abgeschrieben, erfunden. Nein. Selber erlebt. Intimes. Die KI kann davon nichts wissen – ist quasi planlos – erst mit der Veröffentlichung wird sie den Inhalt als öffentliches Eigentum weiter verwenden.

Rudolf „Monny“ Flunger 

* 27.03.1935

† 24.10.2025

 


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