Da schreibt Maik Brüggemeyer ein deutscher Journalist, Kritiker, Übersetzer und Autor im Rolling Stone „Wohnzimmer“: Persönlich: Finde die Reaktionen von Bruce, von Neil Young postwendend, auch von Eddie Vetter von Pearl Jam interessant und wichtig. Auch Roberto de Niro ist in dieser Sache unmißverständlich. …- das Video zum Bruce-Auftritt am Beginn der Tour in Manchester ist sehenswert. (Leider gut versteckt im Netz!)
… (Maik Brüggemeyer) … Vor einigen Tagen habe ich ein Konzert gesehen, das mich ähnlich begeistert hat wie Prophet im vergangenen Jahr. Die Mekons spielten zu sehr später Stunde im Berliner Quasimodo. Ihr aktuelles Album, „Horror“, auf dem sie Schauergeschichte der Gegenwart erzählen, ist natürlich harter Stoff, aber sie wissen halt, wie man den verpacken muss. Ihr anarchischer Swing aus Folk, Cajun, Country und Punk lädt einen noch immer mit einer Energie auf, die einen Zeilen wir „It’s hard to be human“ geradezu euphorisch mitsingen lässt. Und Sally Timms zuzusehen und -hören, wenn sie die Melancholie britischer Folkmusik mit der Rotzigkeit und der Härte kurzschließt, die sie vermutlich auf den Straßen von Leeds gelernt hat, ist immer noch elektrisierend. Als Jon Langford die Menge nach ihrem „I Love A Millionaire“ auffordert, zur gleichen Melodie „I hate those billionaires“ zu singen, ist das vielleicht genau der linke Populismus, den Chantal Mouffe fordert (vgl. Wohnzimmer #71), „um ein ,Wir‘ zu konstruieren, ein ,Volk‘, das einem gemeinsamen Gegner die Stirn bietet: der Oligarchie“.Ich war nach diesem Mekons-Konzert kurzzeitig versucht, mir eine Karte für das Bruce-Springsteen-Konzert in Berlin zu besorgen – trotz aller Vorbehalte gegenüber Stadionkonzerten und Rock-Pathos. Auslöser dieser Laune, die sich nach Blick auf meinen Kontostand recht schnell verflüchtigte, waren natürlich Springsteens Kommentare am ersten Abend seiner „Land of Hope And Dreams“-Tour in Manchester, die inzwischen auch auf der EP „The Land of Hope & Dreams Tour“ bei den gängigen Streaming-Portalen zu hören (und sehen) sind. „Meine Heimat, das Amerika, das ich liebe, das Amerika, über das ich geschrieben habe, das seit 250 Jahren ein Leuchtfeuer der Hoffnung und Freiheit ist,“, sagte er da, „befindet sich zurzeit in den Händen einer korrupten, inkompetenten und verräterischen Regierung. Heute Abend bitten wir alle, die an die Demokratie und das Beste unseres amerikanischen Experimentsglauben, sich mit uns zu erheben, ihre Stimme gegen den Autoritarismus zu erheben und die Freiheit erklingen zu lassen.“Das fand ich schon bei allem mir fremden feierlichen Patriotismus enorm mitreißend. Da kämpft jemand für seine Idee von Amerika (die natürlich, wie er in seinen Songs ja oft deutlich gemacht hat, noch nie dem wirklichen Amerika entsprochen hat). Wann hat man bei einem Künstler oder einer Künstlerin (dieser Größenordnung) schon noch das Gefühl, dass er/sie uns von etwas überzeugen will? Von der Kunst, einem Lebensthema oder was auch immer? „Das Amerika, von dem ich seit 50 Jahren singe, gibt es wirklich“, erklärt Springsteen am Ende des Konzerts zu den „People Get Ready“-Klavierakkorden von „My City of Ruins“, „und es ist trotz seiner Fehler ein großartiges Land mit einem großartigen Volk. Wir werden diesen Moment überleben. Ich habe Hoffnung, denn ich glaube an die Wahrheit der Worte des großen amerikanischen Schriftstellers James Baldwin. Er sagte: ,In dieser Welt gibt es nicht so viel Menschlichkeit, wie man sich wünschen würde, aber es gibt genug.‘ Lasst uns beten.“Donald Trump bezeichnete Springsteen am nächsten Tag als „völlig überbewerteten, linksradikalen, untalentierten, aufdringlichen, widerlichen Idioten“ und „vertrocknete Pflaume von einem Rocker“ und kündigte an, eine umfassende Untersuchung von Springsteens Wahlkampfauftritten für Kamala Harris in die Wege zu leiten, weil es illegal sei, sich für eine angebliche politische Unterstützung bezahlen zu lassen. Ich war ein bisschen geschockt von dieser Replik. Warum? Hätte ich Donald Trump das nicht zugetraut? Doch, natürlich. Hätte ich jemals gedacht, dass ein US-Präsident so auf Kritik reagieren würde?